Sie haben mit einem Anlagenbauer einen Vertrag über die Lieferung und Einbau einer Anlage im Wert von mehreren Millionen abgeschlossen. Zur Sicherung des Fertigstellungstermins soll ein straffer
Terminplan mit verbindlichen und mit Vertragsstrafe belegten Meilenstein-Terminen sorgen. Die Anlage wurde zunächst funktional ausgeschrieben, später - nach umfangreichen
Vertragsverhandlungen – wurde die Leistung überwiegend detailliert beschrieben.
Der Beginn der Montage hat sich bereits um vier Wochen verzögert. Mit dem Auftragnehmer besteht noch Uneinigkeit, ob die Verzögerung darauf zurück zu führen ist, dass eine bauseits zu erbringende
Leistung nicht rechtzeitig vorlag oder ob die Verzögerung auf die schlechte Koordination der Leistungen von Seiten des Auftragnehmers basiert. Sie haben dem Auftragnehmer bereits angedroht, wegen
des Verzuges mit dem Montagebeginn die diesbezüglich vereinbarte Vertragsstrafe geltend zu machen. Kurz nachdem der Auftragnehmer mit der Montage der Anlage begonnen hat, teilt er mit, dass zur
Erfüllung der Funktion der Anlage noch eine weitere bisher nicht beschriebene und von ihm deshalb auch nicht einkalkulierte Leistung erforderlich ist. Der Auftragnehmer macht diesbezüglich einen
Nachtrag in Höhe von 850.000,- Euro geltend. Sie sind aber der Auffassung, dass der Auftragnehmer die Funktion der Anlage schuldet und der Nachtrag deshalb unberechtigt ist. Außerdem besteht
Streit über eine Ratenzahlung, die mit Beginn der Montage fällig geworden ist. Sie verweigern diesbezüglich die Auszahlung, weil Sie bezüglich der an die Baustelle gelieferten Teile bereits
erhebliche Mängel festgestellt haben. Die Situation droht zu eskalieren, zumal Ihnen nunmehr der Auftragnehmer mitgeteilt hat, dass er die Montagearbeiten einstellen wird, bis er die von Ihnen
zurückgehaltene Ratenzahlung erhalten hat und der Nachtrag von Ihnen bestätigt wurde. Alle Einigungsversuche zwischen dem Auftragnehmer und Ihnen sind bisher gescheitert. Wie gehen Sie nun mit
einer solchen Situation um?
Eine Möglichkeit wäre, dem Auftragnehmer unter Fristsetzung anzudrohen, den Vertrag zu kündigen und ihm die gesamten Mehrkosten der Drittausführung zu berechnen. Nimmt der Auftragnehmer dann
seine Montagearbeiten trotzdem nicht wieder auf, müssten Sie entscheiden, ob Sie den Vertrag dann tatsächlich kündigen. Die Mehrkosten der Drittausführung sowie der damit verbundene Aufwand und
Zeitverlust wären erheblich und angesichts der zerstrittenen Situation wäre nicht damit zu rechnen, dass der Auftragnehmer diese Mehrkosten freiwillig bezahlt. Im Gegenteil müssten Sie damit
rechnen, dass er von Ihnen die vereinbarte Auftragssumme unter Abzug der ersparten Aufwendungen verlangt. Sicherlich könnten Sie dann versuchen, Ihren Anspruch in einem Gerichtsprozess
durchzusetzen. Doch zu welchem Preis?
Immense Kosten
Gerichtliche Auseinandersetzungen verursachen bei Auftragnehmer und Auftraggeber erhebliche Kosten. Die interne Anspruchsdokumentation und Kommunikation zwischen Geschäftsführung und
Projektleiter verschlingen Unmengen von Zeit und damit auch Unmengen Geld. Nach eine Studie von Jung/Stedig (BB-Beil.2001,2,9 (13) entstehen auf beiden Seiten allein durch die Vorbereitung bis
zur erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung interne Kosten in Höhe von 20% des Streitwertes. Hinzu kommen noch die Kosten für Anwälte, Gericht und Sachverständige. Bei einem Streitwert von
100.000,- € betragen die Anwalts- u. Gerichtsgebühren für zwei Instanzen ca. 23.000,- €, bei einem Streitwert von 1 Mio. ca. 90.000,- Euro (ohne Gutachterkosten!).
Zu beachten ist auch, dass Sie auf den internen Kosten immer „sitzen bleiben“, selbst wenn Sie im Gerichtsprozess voll obsiegen würden.
Jahrelange, zermürbende Auseinandersetzung
Hinzu kommt, dass gerade im Bau und Anlagenbau Gerichtsprozesse erfahrungsgemäß sehr lange dauern, da in den meisten Fällen die Instanzen vollständig durchlaufen werden. Auch
Sachverständigengutachten führen zum Teil zu erheblichen Prozessverzögerungen. Durch die lange Verfahrensdauer steigt auch das Beweisrisiko für berechtigte Forderungen, da die entsprechenden
Wissensträger nach zwei bis drei Jahren oft schon gar nicht mehr im Unternehmen vorhanden sind.
Angesichts der dargelegten Dauer und Kosten von Gerichtsprozessen überrascht es nicht, dass nach einer Umfrage des Deutschen Baugerichtstages e.V. gerade bei Bauprozessen eine sehr große
Unzufriedenheit der Prozessparteien mit der Bewältigung der Prozesse durch die staatlichen Gerichte besteht. Fast 70% der Auftragnehmer und 63 % der Auftraggeber verbinden insgesamt negative
Erfahrungen mit der Entscheidung ihrer Baustreitigkeit vor Gericht. Hauptfaktoren der Unzufriedenheit waren nach Aussage der Beteiligten neben der Dauer vor allem auch die Kosten des
Rechtsstreits, insbesondere der interne Aufwand der Prozessvorbereitung und die damit verbundene lang andauernde wirtschaftliche Belastung der Konfliktparteien. (Gralla/Sundermeier BauR
2007,1961,1964).
Unbefriedigende Ergebnisse
Auch die Ergebnisse von Gerichtsprozessen können nicht wirklich überzeugen. Es geht ausschließlich um Sachverhalte aus der Vergangenheit. Interessen der Gegenwart oder Zukunft spielen keine
Rolle. Es werden Sachverhalte vor den Richter gezerrt, über welche man sich ohne diesen Gerichtsprozess niemals gestritten hätte, die nun aber für die Entscheidung des Richters vielleicht ja doch
von Bedeutung sein könnten. Die Gerichtsakten wachsen zu Gerichts-„Ordnern“ heran. Und am Ende eines langen und zermürbenden Verfahrens kommt nicht selten doch nur ein 50/50-Kompromiss heraus,
der keine der Parteien wirklich überzeugt.
Gerichtliche Auseinandersetzungen sind also genauer betrachtet keine wirtschaftlich sinnvolle Lösung. Doch was gibt es für eine Alternative?
In Konflikten wie den oben beschriebenen kann eine Mediation ausgesprochen hilfreich sein. Mediation ist ein strukturiertes Verfahren, in dem ein neutraler Dritter (Mediator) bei Konflikten und
schwierigen Verhandlungen zwischen den Beteiligten vermittelt. Mit Hilfe des Mediators werden Konflikte transparent gemacht und entwirrt. Im Dialog werden gemeinsam Möglichkeiten gesucht, um die
Interessen der am Konflikt Beteiligten optimal zufrieden zu stellen. Am Ende steht eine Vereinbarung, an die sich erfahrungsgemäß alle Parteien halten werden, da sie von ihnen selbst erarbeitet
wurden. Untersuchungen in Europa und USA haben ergeben, dass es bei einem Mediationsverfahren in ca. 80 % der Fälle zu einer Einigung kommt.
Zum Vergleich:
Kosten und Dauer eines Mediationsverfahrens
Die Kosten eines Mediationsverfahrens betragen in der Regel lediglich einen Bruchteil der Kosten eines Gerichtsverfahrens. Der durchschnittliche Stundensatz eines Mediators liegt bei 250,-bis
300,- €. In der Regel wird in zwei bis drei Sitzungen eine Lösung gefunden.
Während bei einem Gerichtsverfahren (zumindest bei eingelegter Berufung) mit einer Verfahrensdauer von 1,5 bis 3 Jahren zu rechnen ist, kann eine Mediation sehr kurzfristig zu einer Lösung
führen.
Interessengerechte Lösungen
Das wichtigste Element der Mediation liegt im Gegensatz zu Gerichtsprozessen nicht im Geschehen der Vergangenheit sondern in der Suche, welche wirklichen Interessen hinter den festgefahrenen
Positionen der Parteien stehen. Angestrebt wird eine win-win-Lösung. Dass die eigentlichen Interessen oftmals durch die im Streit vertretenen Positionen verdeckt werden, zeigt folgende in diesem
Zusammenhang gern zitierte Geschichte:
"Bruder und Schwester gerieten miteinander in Streit, weil jede von den beiden die letzte vorhandene Orange haben wollte. Als die Mutter dazukam, beendete sie den Streit indem sie die Orange
ganz einfach in zwei Hälften schnitt und jedem ihrer Kinder eine Hälfte gab. Die Geschwister zogen lange Gesichter und waren über die Lösung gar nicht erfreut. Hätte die Mutter die Kinder zuvor
nach ihren Interessen gefragt ("was willst du mit der Orange"), statt nach ihren Positionen (..."ich will die Orange aber haben") hätte der Streit sich rasch erledigt. Bei näherem
Nachfragen kam nämlich heraus, dass das Mädchen nur die Orangenschale zum Backen eines Kuchens brauchte, während der Junge sich lediglich den Saft auspressen wollte. Es hätten also beide
Bedürfnisse voll befriedigt – sozusagen eine win-win-Lösung gefunden werden können.“
Vergleichbar ist ein Fall aus einem Bauprozess, in welchem sich erst nach monatelangem Streit vor Gericht im Rahmen einer Ortsbesichtigung herausstellte, dass es der Beklagten, welche sich
weigerte, ihr Grundstück zur Bebauung frei zu geben, vor allem um den Erhalt eines bestimmten Baumes ging. Danach war eine Lösung schnell gefunden und die Parteien hätten sich viel Zeit,
Geld und Nerven, die sie in der gerichtlichen Auseinandersetzung gelassen hatten, sparen können.
Auch bei Nachtragsstreitigkeiten und Mängelansprüchen sind die Interessen der verschiedenen beteiligten Personen mannigfaltig. So geht es dem Auftraggeber möglicherweise vor allem um
Verlässlichkeit und Verbindlichkeit des Auftragnehmers, der Auftragnehmer ist möglicherweise an weiteren Aufträgen interessiert und es geht ihm um Anerkennung seiner Leistung, möglicherweise aber
auch nur um schnelle Zahlung wegen eines Liquiditätsengpasses. Diese verschiedenen Interessen gilt es herauszuarbeiten, um eine nachhaltige und für alle Beteiligten tragbare Lösung zu finden.
Dann kommt auch nicht eine Kompromisslösung irgendwo in der Mitte zwischen den Positionen (klassische Basarverteilung) heraus, sondern die Parteien erweitern das gesamte Spektrum und kommen
plötzlich zu win-win-Lösungen, die mit einem Kompromiss gar nichts mehr zu tun haben.
Regelung der Mediation in den Projektverträgen?
Im Rahmen der bereits genannten Umfrage des Deutschen Baugerichtstages e.V. wurde den Beteiligten auch die Frage gestellt, ob sie eine Regelung befürworten würden, wonach zwingend (d.h. wenn von
einer Partei gefordert) vor Einleitung eines Bauprozesses ein außergerichtliches Verfahren (z.B. Mediation, Schlichtung, Adjudication) durchgeführt wird. Das Ergebnis war eindeutig: Nahezu 70 %
aller Befragten sprachen sich für ein zwingendes außergerichtliches Streitlösungsverfahren aus. Hintergrund hierfür ist zum einen die große Unzufriedenheit der Beteiligten mit Verfahren vor
staatlichen Gerichten. Zum anderen wurde aber auch ein generelles Interesse an einer nachhaltig verbesserten Streitlösung am Bau bekundet. (Gralla/Sundermeier BauR 2007,1961,1967).
Bisher gibt es ein solches zwingendes außergerichtliches Streitverfahren noch nicht gibt. Eine entsprechende Situation kann jedoch durch eine vertragliche Regelung geschaffen werden, welche
vorsieht, dass im Streitfall zunächst ein Mediationsverfahren einzuleiten ist, bevor der Weg zu den staatlichen Gerichten eröffnet ist. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen stößt ein solcher
Vorschlag meist auf positive Resonanz, weil zu diesem Zeitpunkt das Interesse an einer außergerichtlichen Lösung im Streitfall auf beiden Seiten hoch ist. Sind die Positionen im Streitfall jedoch
erst einmal so richtig festgefahren und die Emotionen entsprechend aufgeladen, sinkt die Bereitschaft zur Durchführung eines Mediationsverfahrens oft deutlich. In diesem Fall ist eine
entsprechende vertragliche Regelung ausgesprochen hilfreich, um im Wege des vertraglich vereinbarten Mediationsverfahrens die Hürde der festgefahrenen Positionen zu überwinden.
Auftragsbegleitende Mediation
In unserem Einstiegsfall wäre es mit großer Wahrscheinlichkeit erst gar nicht zu einer solchen Eskalation gekommen, wenn ein Mediator/Mediatorin den Auftrag von Anfang an begleitet hätte. Bei
einer auftragsbegleitenden Mediation werden alle Phasen der Auftragsabwicklung von der Auftragsverhandlung über die Ausführung bis zum Auftragsabschluss durch einen Mediator / Mediatorin
begleitet. Insbesondere hinsichtlich der traditionell ausgesprochen konfliktträchtigen Aspekte wie Terminverschiebungen, Nachtragsansprüche und Mängel kann eine solche Unterstützung sehr
hilfreich sein.
Auftragsbegleitende Mediation führt zu einer reibungsarmen Projektdurchführung und letztlich zu einem erfolgreichen und zukunftsweisenden Abschluss der Maßnahme. Das durch die
auftragsbegleitende Mediation erzeugte Gemeinsamkeits-Gefühl ist darüber hinaus eine gute Basis für die Zusammenarbeit.
Streitlösungsordnung Bau:
Insbesondere in der Bauwirtschaft setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass ein professionelles Konfliktmanagement unerlässlich ist, um die ständig steigenden Konfliktkosten zu vermeiden
oder zumindest zu minimieren. Dies ist auch das Ziel der von der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. aufgestellten Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SL Bau, Fassung 2010, abzurufen
unter www.baurecht-ges.de). Die SL Bau umfasst Regelungen zur Mediation, Schlichtung, Adjudikation und zum Schiedsgericht. Alle Streitlösungsverfahren können einzeln oder kombiniert
zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden. Die SL Bau enthält außerdem Mustervereinbarungen sowie eine Liste von Schiedsrichtern, Mediatoren, Schlichtern und Adjudikatoren.
Fazit:
Auftragsbegleitende Mediation kann Konfliktpotentiale von Anfang an vermeiden und auftretende Konflikte auflösen. Bevor der steinige Weg zum Gericht eingeschlagen wird, empfiehlt es sich, ein
Mediationsverfahren durchzuführen. Der Vorteil: Es wird kein Recht gesprochen in einer langwierigen, nervenzermürbenden und teuren Entscheidungsbürokratie, sondern Sie schaffen sich mit dem
Konfliktpartner gemeinsam Ihre eigene Lösung.
Da Sie Herr des Mediationsverfahrens sind, entscheiden Sie auch selbst, ob und welche Vereinbarung am Ende geschlossen wird. Immerhin führen 80% der Mediationsfälle zu einer von beiden
Parteien gemeinsam entwickelten und damit auch tragfähigen Lösung. Sie haben außerdem jederzeit die Möglichkeit, das Mediationsverfahren abzubrechen und den Gerichtsweg doch noch einzuschlagen.
Auch Gerichtsprozesse enden überwiegend mit einem Vergleich, allerdings meist mit einem „Basarvergleich“ und wirtschaftlich gesehen oft mit einer katastrophalen Bilanz, wie von Jörg Zerhusen
(Außergerichtliche Streitbeilegung im Bauwesen Rz.13) zutreffend formuliert:
„Würde der Rechtsanwalt nach Abschluss eines Bauprozesses eine Nachkalkulation durchführen, wäre häufig festzustellen, dass er bei der Beratung seines Mandanten gegen jegliche wirtschaftliche
Vernunft gehandelt hat.“
Angelika Schaeuffelen
Strubbergstraße 70
60489 Frankfurt
Tel. 0171 6510253 oder 069 781584
angelika@schaeuffelen.de
www.schaeuffelen.de
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Diese Klausel gehört in jeden Vertrag!
Die Wirtschaftsmediatoren (IHK) empfehlen, in jeden Vertrag folgende Mediationsklausel aufzunehmen:
"Die Vertragsparteien verpflichten sich, im Falle einer sich aus diesem Vertrag ergebenden oder sich darauf beziehenden Streitigkeit eine Mediation durchzuführen, bevor sie bei einem ordentlichen Gericht (oder Schiedsgericht) Klage erheben."
Konflikte sind wie Schnürsenkel -
wer sie offen lässt, droht zu stürzen.