Was spricht für virtuelle Unterstützung in der Mediation?

Konklusionen und "Findings" aus dem Sommertreffen der Frankfurt-RheinMain-Peergruppe der Wirtschaftsmediatoren (IHK) am Tag der Mediation (18. Juli 2020)

 

Seit dem „Lockdown“ ist eine unglaubliche Vielzahl und Vielfalt von Online-Aktivitäten und Web-Seminar-Angeboten zu beobachten. Deshalb richtete die Frankfurt-RheinMain-Peergruppe der Wirtschaftsmediatoren (IHK) an ihrem virtuellen Treffen am Tag der Mediation den Fokus auf das Thema „virtuelle Unterstützung in der Mediation“. Gemeinsam wurden Erfahrungen mit virtueller/online-Mediation ausgetauscht und in einem Brainstorming über Vor- und Nachteile sowie Risiken und Chancen diskutiert. 

 

Bisherige Erfahrungen:

Interessanterweise verfügte in der Gruppe der Teilnehmenden praktisch noch niemand über Erfahrungen mit kompletten virtuellen bzw. Online-Mediationen. Über praktische Erfahrungen mit einzelnen Mediations-Sitzungen bzw. -Phasen, die nicht „live“, sondern im virtuellen Raum durchgeführt wurden, konnten einzelne Gesprächsteilnehmer hingegen berichten. Der Fundus an praktisch Erlebtem war in der Peergruppe also noch gering.

 

Bedeutete das nun, dass Mediationen mit virtueller Unterstützung per se nicht hilfreich oder von Kunden nicht erwünscht sind? Oder – umgekehrt betrachtet: wann könnte virtuelle Unterstützung in der Mediation hilfreich sein und wann vielleicht weniger? 

 

Brainstorming/Diskussion: 

Zur Strukturierung wurde der Blick auf zwei Dimensionen gerichtet:  

  1. die Hypothese: die Antworten könnten in jeder Mediations-Phase unterschiedlich ausfallen
  2. zur Betrachtung der einzelnen Mediations-Phasen könnte das Format „SWOT-Analyse“ (Stärken/ Schwächen/Chancen/Risiken) helfen, strukturiert vorzugehen.

Und so haben die TeilnehmerInnen die Thematik „Was spricht für virtuelle Unterstützung in der Mediation?“ aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und lebhaft „gebrainstormt“.

 

Konklusion und „Findings“: 

  • Vorgespräche sind durchaus virtuell oder telefonisch möglich, denn sie dienen vorrangig der Beantwortung erster organisatorischer Fragen und dem Bedürfnis der Mediatoren, sich adäquat vorzubereiten. 

  • Bezüglich Phase I gab es unterschiedliche Sichtweisen: In dieser Phase könnte theoretisch auf Anwesenheit der Betroffenen verzichtet werden – Regeln und Informationen können schließlich auch virtuell besprochen werden. Für manche ist hingegen gerade bei diesem Treffen persönliche Anwesenheit wichtig.

    Da die Phase I in der Regel jedoch keinen eigenen Mediationstermin füllt, hängt sie unmittelbar mit der Phase der Sachverhaltsklärung und Themenfindung zusammen: 

  • Die Phase II ist unseres Erachtens der wichtigste Abschnitt für die Gesprächsatmosphäre. Hier brauchen auch Emotionen ihren Raum und es ist nicht nur für den Mediator wichtig, die ganze Mimik und Körperanspannung zu erleben und zu spüren. Gleichzeitig werden hier die Weichen gestellt für eine konstruktive Kommunikation – einen wirklichen Dialog. Deshalb erscheint es uns nicht hilfreich, diese Phase anstelle einer Präsenzsitzung mit technischen Mitteln zu führen. Dies mag bei rein sachlichen Verhandlungen – beispielsweise einem Konflikt aus einem Franchise-Vertrag, der eine Mediationsklausel enthält – noch möglich sein. Für eskalierte, emotionale Konflikte vor allem im familiären oder Unternehmens-Bereich läuft die virtuelle Vermittlung Gefahr, dass die Beziehungsebene des Konfliktes nicht  tief genug geklärt werden kann, wenn die Betroffenen einander nicht „live“ gegenüber sitzen. 

  • Die Interessens- und Bedürfnisklärung aller Parteien könnte sicherlich auch virtuell geschehen, wenn sie gut moderiert wird. Allerdings fanden die Diskutanten in dieser Phase III die physische Präsenz für das gegenseitige wertschätzende Verständnis der jeweiligen Beteiligten und ihrer Interessen wichtig. Vor allem die „Übersetzungsarbeit“ der Mediatoren kann in dieser Phase einen Unterschied machen. 

  • Ab Phase IV kann es durchaus auch Vorteile bringen, wenn in der Lösungsfindung und Abwägung Gespräche in Teil-Gespräche aufgeteilt werden, damit die Klienten zwischendurch eine Nacht über einen Vorschlag nachdenken können. Telefonische oder virtuelle Teil- oder Folge-Gespräche sind hier durchaus möglich, ohne dass die Lösung oder die Kreativität darunter leiden muss. Insbesondere Themen auf der Sachebene können auch in Video-Konferenzen mit Moderation erfolgreich entwickelt werden. Bereits heute werden ja Vereinbarungen und Verträge sehr oft schon ohne Mediator finalisiert, beispielsweise über ein Ping-Pong-Verfahren.

 

Mit Abstand betrachtet hat die PeerGruppe den Vorteil virtueller Unterstützung nicht in der umfänglichen Nutzung über den gesamten Mediations-Prozess gesehen. Vielmehr wird die Planung von Mediationsprozessen auch in Zukunft primär von der Komplexität und Eskalation der Konflikte sowie den weiteren Rahmenbedingungen abhängen. Dabei kann der Einsatz digitaler Techniken – angereichert mit neuen Erfahrungen während der Lockdown-Zeit – künftig eine größere Rolle spielen. Virtuelle Technik eröffnet zusätzliche Möglichkeiten, die individuell in einzelnen Phasen – sozusagen als „Hybrid-Modell“ – alternativ vorgeschlagen und eingesetzt werden können. Die Teilnehmenden konnten sich eine „gute“ Mediation also nicht ganz ohne physische Präsenz und direkte Konfrontation der Beteiligten vorstellen.

 

Daneben sollten Themenfelder wie die „Honorar-Gestaltung“ (günstigeres oder normales Honorar?), „sinnvolle Zeitlimits“ (für konzentrierte und aktive Mitarbeit) oder „technische Offenheit der Kunden“ nicht vergessen werden, wenn virtuelle Alternativen in Betracht gezogen werden.

 

Aber auch Chancen für die Kundengewinnung und entsprechende Weiterentwicklung unserer individuellen Angebote als MediatorInnen sollten wir nicht außer Acht lassen, wenn wir als MediatorInnen auch weiterhin an diesem sich so rasant weiter entwickelnden Markt teilhaben wollen. 

 

Sicherlich wird auch in Zukunft nicht primär die „Technik“ die Gestaltung unseres Vorgehens in der Rolle als Mediatorinnen und Mediatoren beeinflussen. Es wird weiterhin auf unsere individuelle Art, wie wir Aufgaben angehen, ankommen. Insbesondere auf das persönliche Gespräch, in dem es vorrangig gilt, den Medianden das positive Gefühl zu vermitteln, dass einvernehmliche Lösungen möglich sind. Und um das Vertrauen zu schaffen, dass wir MediatorInnen in der Lage sind, den entsprechenden Prozess „gut“ zu führen. 

 

Es kann aber bereits heute sinnvoll sein – und wird künftig vielleicht unerlässlich – uns mit dem rasch wachsenden Angebot an virtueller Konferenz-Technik zu beschäftigen. Nur so werden wir künftig auch „hybride“ Mediations- bzw. Prozessmodelle als individuelle „Beimischung“ in unserem Werkzeugkasten finden und auch praktisch anwenden können. 

 

Technik/Tools: 

Natürlich muss auch über die vielfältigen Tools diskutiert werden, deren Funktionalität, Vor- und Nachteile und Kosten recht unterschiedlich sind. Schon nur mit Blick auf den Datenschutz und die DSGVO-Compliance wird – je nach individuellem User-Bedürfnis – nicht jede Technik überzeugen. 

Die Peergruppe hat deshalb nicht versucht, auf diese Frage Antworten bzw. Empfehlungen zu suchen.

Für die virtuelle Sitzung wurde das Tool „Zoom“ genutzt. In dieser Video-Konferenz waren sowohl die Bild- und Tonqualität als auch die Übertragungs-Verlässlichkeit überzeugend. 

 

Fazit: 

Es liegt nicht nur an uns, ob und wie wir die technischen Möglichkeiten in unsere Arbeit und in unser Angebot einbeziehen, um künftig erfolgreich am Markt teilzuhaben. Der Blick auf die Entwicklungen auf der Kundenseite – insbesondere der Unternehmen und ihrer künftigen durch die Corona-Erfahrungen veränderten Präferenzen – wird ein wichtiger Wegweiser sein für unser Angebot als Wirtschaftsmediatoren.

 

 

VzWM e.V. | Hanspeter Lanz | Juli 2020

Autor

Hanspeter Lanz
Wirtschaftsmediator (IHK)

Landgrafenstrasse 35
60486 Frankfurt am Main

Telefon: 069 - 91 50 15 70

 

E-Mail: hanspeter.lanz@Mediationsbüro-Frankfurt.de
Web: www.Mediationsbüro-Frankfurt.de


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